„Man muss ein bisschen Chaos in sich tragen, um einen tanzenden Stern zu gebären.“

Ich bin Lissy

die Hände hinter Einfachstahlberg Keramik und Gründerin von Studio Stahlberg.
Laut meiner Oma und meinen Eltern bin ich dieser kleine, kraftvolle, tanzende Stern.

Kunst, Handwerk und alles, was aus Kreativität entsteht – Poesie, Malerei, Mode, Darstellung oder Sport, hat mich schon immer angezogen. Nichts aber hat mich je so vollständig in den Bann gezogen wie die Keramik. Sie war schon Immer eine stille begleiter*in: kleine Tassen, die ich mir in besonderen Momenten kaufte oder geschenkt bekam und vieles mehr.

Für mich sind Tassen und Keramik kleine Gefäße voller Geschichten und Emotionen.

  • Wie jede gute Geschichte sollte auch meine eigentlich ganz anders verlaufen.
    Geplant war ein anderer Weg – die Physiotherapie. Nach langem Suchen hatte ich dort meine Richtung gefunden.

    Doch dann kam der Verlust meines Vaters – meines besten Freundes und später ein Unfall, der mein Leben stillstehen ließ. Diese Schicksalsschläge haben mich geprägt und doch auch Türen geöffnet.

    In dieser Zeit, als alles still wurde, kehrte eine Erinnerung zurück: ein verschwommenes Bild, mehr Gefühl als klare Szene. Ich sah Hände, Gesichter, Staub und Freude. Ich träumte von Backsteinmauern, Kopfsteinpflaster, einer Werkstatt voller Menschen, die lachten, arbeiteten und mit Tee und Kaffee in der Hand den Moment genossen.

    Ich spürte die Magie des Tons und begann zu träumen. Von einem eigenen Keramikstudio.

    Von dem Wunsch, selbst zu töpfern. Und genau da begann alles.

  • Der Wunsch, selbst zu töpfern, wurde immer größer – und doch war er lange unerreichbar. Ich konnte es mir schlicht nicht leisten und versuchte, mich auf anderes zu konzentrieren. Doch immer wieder merkte ich: Genau das ist es, was ich mir wünsche. Dort sehe ich mich.

    In der Weihnachtszeit erzählte ich meiner Mama nebenbei, fast beiläufig, in einem „So-sehe-ich-meine-Zukunft“-Gespräch von diesem Traum. Und dann hielt ich an Weihnachten plötzlich einen kleinen Brief in den Händen: ein Töpferkurs. Für uns beide war es ein großes Geschenk. Ich hatte Tränen in den Augen und konnte es kaum fassen.

    Der Kurs selbst war alles andere als perfekt. Nach einer kurzen Einführung verließ die Kursleitung den Raum – und wir sechs saßen da, ohne zu wissen, wie es weitergeht. Ich weiß noch, wie ich am liebsten geheult hätte, weil ich nicht mal mehr den ersten Schritt wusste.

    Und doch war genau dieser Moment entscheidend. Ich spürte: Ich will es wirklich lernen. Herausfinden, wie der Ton funktioniert, wie er mit mir arbeitet und lebt. Und dass es alles andere als einfach ist.

  • Kurz darauf zog ich nach Köln – eine Stadt, die anfangs nicht meine Wunschstadt war.
    (Und für alle Kölnerinnen– heute liebe ich Köln.)

    Am Anfang fühlte ich mich unsicher, allein. Und auch wenn es nicht mein erster Umzug in eine fremde Stadt war, fühlte es sich diesmal anders an. Meine Freund*innen und mein vertrauter Kreis waren weit entfernt. Doch ich wusste aus Erfahrung: Ich musste mir auch hier meinen Platz schaffen.

    Um mir das Töpfern leisten zu können, nahm ich einen Job an, den ich mir zunächst gar nicht vorstellen konnte. Doch er finanzierte meine Mitgliedschaft im Töpferstudio.

    Heute liebe ich genau diesen Job, der mich erfüllt und mir neben der Keramik so viel gibt.

  • Im Studio angekommen war alles neu. Zuvor hatte ich meist an einer manuellen Scheibe gearbeitet – jetzt saß ich an elektrischen Drehscheiben, die sich ganz anders anfühlten. Wieder wusste ich nicht, wo ich anfangen sollte. Alles, was ich mir zuvor mühsam beigebracht hatte, schien verschwunden. Also probierte ich, schaute anderen zu, lauschte ihren Gesprächen und versuchte zu spüren, was der Ton mir sagen wollte.

    Und was soll ich sagen: Ich war schockverliebt.

    Morgens, gleich nach dem Aufstehen, dachte ich auf dem Weg zur Arbeit an die Drehscheibe und durchstöberte Pinterest nach Inspiration. Kurz vor Feierabend klopfte mein Herz, weil ich wusste: Gleich geht es wieder ins Studio. Abends blieb ich dort bis tief in die Nacht, verbrachte Stunden, Tage, Nächte – lernte, scheiterte, probierte neu.

    Ich tauschte Partys gegen Studioabende und schickte meinen Freundinnen Sprachnachrichten, als wäre ich frisch verliebt, als hätte ich ein Date gehabt, von dem ich unbedingt erzählen musste. Und vielleicht war es das auch – ein Date mit mir selbst, mit dem Ton, mit dem Handwerk.

    Die Zeit verlor sich, der Alltag rückte in weite Ferne – und ich fand eine Ruhe, die ich nie gesucht, aber dringend gebraucht hatte.

  • Weil ich so viel Zeit im Studio verbrachte, wurde ich bald gefragt, ob ich nicht Studioassistentin werden möchte. Ich konnte mein Glück kaum fassen und zögerte keine Sekunde – auch wenn es ein Sprung ins kalte Wasser war. Ich bin über diese Erfahrung sehr dankbar!
    Ich erinnere mich noch, wie ich beim ersten Schrühbrand sechs Stunden brauchte, um alles einzuräumen. Heute muss ich darüber schmunzeln – damals war es purer Ernst.

    Plötzlich war ich Teil des Studios, half im Alltag und merkte, wie viel Freude es mir machte, mein Wissen zu teilen und von anderen zu lernen. Gleichzeitig lernte ich selbst unendlich viel, jedes Gespräch, jeder Austausch war eine neue Lektion.

    Und immer öfter hörte ich die Frage: „Lissy, wann machst du eigentlich deine eigenen Kurse?“
    Anfangs habe ich geschmunzelt. Doch je öfter die Frage kam, desto öfter stellte ich sie mir selbst.

  • Ich erinnere mich noch, wie eine Freundin, die auf der Durchreise bei mir übernachtete, zu mir sagte: „Verkauf deine Sachen doch einfach.“

    Natürlich war ich selten zufrieden. Oft wollte ich heulen, wenn ich die Ergebnisse aus dem Brand holte, weil sie so viel kleiner waren, als ich sie mir erträumt hatte. Doch mit jeder Übung wurde ich besser.

    Kurz darauf eröffnete eine andere Freundin in Marburg einen wunderschönen Laden und fragte mich, ob ich dort Keramik ausstellen möchte. Noch am selben Abend war klar: Das ist mein nächster Schritt.

    Von da an fanden meine Arbeiten ihren Weg hinaus – erst nach Marburg, dann nach einiger Zeit auch hier in Köln.
    Was als kleine Idee begann, wurde plötzlich Wirklichkeit: meine Tassen, Schalen und Vasen wanderten hinaus bis zu euch nach Hause.

  • Doch je mehr Zeit ich mit dem Ton verbrachte, desto klarer wurde mir: Ich möchte diesen meinen Raum schaffen. Denn irgendwann wurde das Jonglieren zwischen Job, Pendeln und Studiozeit zur Belastung. Meine Energie reichte nicht mehr aus, und manchmal litt sogar die Liebe, die ich in meine Stücke und Kurse stecken wollte.

    Ich wusste: Ich muss weitergehen. Und dann war da dieser Ort, der zwar unerreichbar schien, mich aber magisch anzog.

    Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als ich durch die Südstadt lief und plötzlich vor diesem Haus stand. Kopfsteinpflaster, kleine Ateliers, ein Hauch von Industrie – und ein Stern an der Wand. Für mich war es wie ein Zeichen: Da ist es fast genauso wie ich es geträumt habe.

    Es hat lange gedauert, bis sich Türen öffneten, und es war alles andere als einfach. Ich tüftelte Nächte durch, telefonierte mit Ämtern, schmiedete Pläne, erstellte Listen und verwarf sie wieder. Stück für Stück nahm alles Form an. Und zum Glück hatte ich meinen zweiten Papa, der mir half, ein für mich völlig neues Gebiet zu verstehen – Excel-Tabellen, Strukturen, Zahlen, Formulare. Er erklärte mir all das geduldig und liebevoll.

    Und so wurde Stück für Stück, mit viel Arbeit, Hoffnung und auch ein bisschen Chaos im Herzen, der Traum Realität: Studio Stahlberg.

  • Heute ist es mehr als nur ein Studio im Hinterzimmer.
    Es ist ein Raum, den ich mit Liebe durchdacht habe – jede Ecke, jedes Detail.
    Ein Ort zum Ankommen, Ausprobieren, Wachsen. Ein Ort, der für mich Heilung war und nun für andere geöffnet ist.

  • Und auch wenn ich vieles allein getragen habe – ohne die Menschen an meiner Seite wäre dieser Traum niemals so schön geworden. Er ist geprägt von den Ideen, Impulsen und der Unterstützung all derer, die mich begleitet haben: von meiner Familie und meinen Freund*innen, die mich durch vieles getragen haben,bis zu den Menschen, die jetzt tatkräftig mit mir überlegt, geträumt, gebaut, gewerkelt und gestaltet haben.

    Vieles im Studio ist selbstgemacht, aus Liebe entstanden und getragen von Gemeinschaft.
    Es trägt die Kraft und Aufmerksamkeit meiner Mama, die mich mit ihrem Geschenk auf diesen Weg gebracht hat. Es trägt die Kreativität und das Auge meiner Oma, die immer an meinen Stern geglaubt hat. Es trägt die Erinnerungen an meinen Papa, den ich verloren habe und der mich trotzdem weiter begleitet. Und es trägt die tatkräftige Unterstützung meines zweiten Papas, der mit mir Pläne schmiedete, Zahlen ordnete und mir half, aus Chaos Strukturen zu bauen.

    Studio Stahlberg ist für mich das Herzstück meines Traums – und doch erst der Anfang. Denn auf meiner Liste steht noch so viel mehr.
    Ich bin gespannt, wie es wachsen darf, welche Begegnungen hier entstehen und welche Geschichten der Ton noch schreiben wird.